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Oliver Chalk – Prozess der Selbstverwirklichung
Künstlerporträt
Es benötige Zeit, bevor Oliver Chalk einen Weg fand, sich mit seiner Kunst auszudrücken. Denn nach seinem Abschluss an der Kunsthochschule im Südosten Englands, schienen sich ihm zunächst wenig Perspektiven zu bieten. Chalk verlieh seinem künstlerischen Schaffensdrang zunächst durch großformatige Stoffinstallationen Ausdruck, die er aus tausenden Einzelteilen zusammenstellte und anschließend auf Veranstaltungen gekonnt in Szene setzte. Seine Designs wurden zunehmend komplexer und der Engländer verbrachte Monate damit, die Elemente von Hand zuzuschneiden, einzufärben und Schritt für Schritt wieder zu einem Gesamtkonzept zusammenzufügen. Durch seine guten Kontakte in die Veranstaltungsbranche konnte er mit seinen Designs bald internationale Erfolge feiern und begab sich auf die Reise nach Indien, Europa, Südamerika und Japan, um seine eigenen sowie auch Arbeiten anderer Künstler zu installieren. Dabei wurde ihm jedes Mal aufs Neue ein hohes Maß an Lösungsorientiertheit und Flexibilität abverlangt. Seine Arbeit gipfelte schließlich in einem zwanzig Meter langen Wandteppich aus 2640 Einzelteilen, die alle von Hand gefärbt und zusammengenäht wurden und dessen Fertigstellung über ein Jahr in Anspruch nahm. Dann kam die Pandemie und der Teppich lag zwei Jahre lang in einer Kiste. Die Veranstaltungsbranche kam zum Erliegen und Chalk wurde abrupt zum Umdenken gezwungen. Doch schon bald sollte die situationsbedingte Schaffenspause direkt zu einem weiteren kreativen Abenteuer mit einem neuen Medium führen.
Oliver Chalk hat zum Holz gefunden und so betitelt der Künstler auch seine mittlerweile drei Jahre andauernde Schaffensreise: Found.Wood. Nachdem er schlichtweg den Wunsch verspürte, wieder handwerklich tätig zu werden, begann er, sich in seiner heutigen Werkstatt eine Kletterwand zu bauen. Nach und nach fertigte er die verschiedenen Formen der Tritte, bis letztlich nur noch eine Art von Klettersprossen fehlte: die runden. So kam es, dass Chalk sich seine erste Drechselbank zulegte. Bisher hatte sich seine Arbeit mit dem neu entdeckten Medium auf das Holzhacken in seiner Jugend beschränkt, doch er war bereit, in das kalte Wasser zu springen und sich von Grund auf mit dem Drechseln auseinanderzusetzen. Er beschreibt die Arbeit mit Holz als erdende Erfahrung, die ihm vor allem auch Demut lehrte. Denn schnell erkannte er, dass er in diesem Metier noch viel zu lernen hatte: Angefangen bei der Funktionsweise einer Drechselbank, über die Eigenschaften des Holzes bis hin zu den vielfältigen Prozessen und Techniken, die es von nun an zu entdecken galt. Found.Wood fasst Chalks Erkundung des Materials, das Erlernen einer neuen Fertigkeit und seine Untersuchung der geometrischen Möglichkeiten von Holz zusammen. Der gesamte Prozess ist im Wesentlichen ein Gespräch zwischen Hersteller und dem Material, zwischen der Natur und dem vom Menschen Geschaffenen.
Seine Lehrmeister waren zunächst die Videoplattform YouTube und das Internet. Schnell realisierte er, dass er mit billigen Werkzeugen nicht vorankam. Und innerhalb von sechs Monaten erprobte er drei verschiedene Drechselbänke, bis er sich schließlich das damals größtmögliche vorgefertigte Modell zulegte. Chalk wurde bewusst, dass es ihm ernst war und setzte seine Erkundungen fort.
„Aufwachen, Frühstück, E-Mails, Kaffee und dann ab in die Werkstatt – so beginnt ein guter Tag für mich!“, sagt der Künstler. Er hat durch sein kreatives Schaffen mit Holz einen Weg gefunden, mehr Achtsamkeit und Ruhe in seinen Alltag zu integrieren. Seine Werkstatt ist für ihn ein privater Raum, ein Zufluchtsort, in dem er jede Ablenkung vermeidet. Er kann sich somit auf das Hier und Jetzt konzentrieren, ohne sich von äußeren Einflüssen und Belastungen beeinflussen zu lassen. Chalk sagt von sich selbst, dass er glaube, nicht von Natur aus ein talentierter Handwerker zu sein, allerdings ein sehr engagierter. Und die Fortschritte, die der junge Drechselkünstler binnen kürzester Zeit vorweisen kann, sprechen beinahe für sich.
Sie möchten weiterlesen? Im DrechslerMagazin Ausgabe 63 finden Sie den vollständigen Artikel.