Drechseln in Japan – Ein lebendiges Handwerk

Reportage von Terry Martin und Yuriko Nagata

Das Drechseln ist einer der ältesten Handwerkszweige der Welt, hat sich jedoch in vielen westlichen Ländern hauptsächlich als Betätigungsfeld für Hobbyhandwerker erhalten. In Japan hingegen ist es immer noch ein lebendiges Gewerbe. In fast jedem Privathaushalt sind zahlreiche gedrechselte Holzgegenstände vorzufinden. Es gibt sogar ganze Städte und Regionen, die wirtschaftlich vom Drechslergewerbe abhängen.

Drechselarbeiten sind in Japan nicht schwer zu bekommen, man muss jedoch wissen, dass der Begriff „Drechslerarbeit“ den meisten Japanern nicht vertraut ist. Wenn Sie in einem Kaufhaus nach „woodturning“ fragen, wird man Sie nur verständnislos anstarren. Wenn Sie aber Lackarbeiten (lacquerware) zu sehen verlangen, wird man Ihnen höchstwahrscheinlich eine reiche Auswahl an gedrechselten Gegenständen zeigen – Holzschalen, Teller, große und kleine Tabletts, Becher, Dosen und vieles mehr, alle mit dem traditionellen urushi (Japanlack) behandelt. Meist handelt es sich um funktionale Gegenstände für den täglichen Gebrauch.

Die Drechseltechnik kam aus China über Korea nach Japan. Dort entstand daraus ein wichtiger Handwerkszweig, der das – heute fast verschwundene – chinesische Drechslergewerbe überlebte. Die meisten Japaner wissen nicht, dass es in ihrer Heimat noch tausende Drechsler gibt, die unglaubliche Mengen von Waren herstellen, und das mit einer Geschwindigkeit, über die die meisten europäischen Drechsler sehr erstaunt wären. Die traditionsgemäße japanische Drechslerlehre bedeutet harte Arbeit. Wert gelegt wird auf Geschwindigkeit, Effizienz und Genauigkeit. Spielraum für die eigene Kreativität wird meist nicht geschätzt, genaues Kopieren ist gang und gäbe.

Japanische Drechsler hüten ihre „Berufsgeheimnisse“ sehr sorgsam. Die Bedeutung dieser bewahrenden Haltung hat Endo Motoo in dem 1967 erschienenen Buch Nihon Shokunin Shi (Geschichte der japanischen Gewerbetreibenden) sehr gut erklärt. „Wenn man einst ein Handwerk lernte“, schreibt Motoo, „wurde der Lerninhalt von der Sippe oder der Gemeinschaft bestimmt, innerhalb derer man lernte. Techniken galten als geheim und wurden niemandem mitgeteilt. Jeder Handwerker musste sich streng an diese Tradition halten. Wer versuchte, sich dieser Verhaltensmaßregel zu entziehen, verlor seinen Lebensunterhalt.“ Diese Haltung ist noch immer vorherrschend. Ein maßgeblicher Drechslermeister antwortete auf die Frage, ob seiner Meinung nach auch in Japan eine Hobbyhandwerker-Bewegung wie im Westen möglich wäre, kurz und bündig mit: „Niemals!“

Manchmal kommt es in einzelnen Regionen zur Spezialisierung auf bestimmte Produkte: Eine Stadt ist etwa auf Puppen spezialisiert, eine andere auf Japanlack-Schalen, eine dritte auf Dosen. Auch die Drechseltechnik variiert von Ort zu Ort. Die in Japan üblicherweise verwendete freistehende, vierbeinige Werkzeugauflage wird oft uma (Pferd) genannt. Manche dieser Auflagen sind geneigt, manche waagrecht, andere haben einen Zwischenraum zum Festklemmen von Werkzeugen beim Schärfen. Manche Drechsler benutzen als Werkzeugauflage eine einfache Stange, die auf einem Rahmen ruht. In vielen Regionen sitzt der Drechsler im rechten Winkel zur Rotationsachse, in anderen wiederum sitzt er hinter dem Spindelstock. Es gibt viele Varianten, die zeigen, wie die Drechsler der jeweiligen Region die überlieferte Tradition schätzen und bewahren.

Sie möchten weiterlesen? Im DrechslerMagazin Ausgabe 42 / Frühjahr 2018 finden Sie den vollständigen Artikel.

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