Ernst Gamperl – Der Weg der Herausforderung

Künstlerporträt

Der Werdegang von Ernst Gamperl könnte ganze Bücher füllen. Seit dreißig Jahren ist er als Drechselkünstler aktiv. Er ist das Ausnahmetalent der Drechselszene, denn selten ist es einem deutschen Drechsler gelungen, auf nationaler und internationaler Ebene in der Kunstszene Fuß zu fassen, geschweige denn über Jahrzehnte erfolgreich zu bleiben. In einem Beitrag im Bayrischen Fernsehen aus dem Jahr 1995 sieht man ihn beim Klettern in einer Bergwand und er vergleicht das Drechseln mit dem Klettersport: „Man sucht sich das schwierigste Stück heraus und versucht darin den Weg des geringsten Widerstands zu finden.“ Dieser Leitspruch scheint sich rückblickend durch die Karriere des Münchners zu ziehen. Doch worin liegt das Geheimnis seines Erfolges, was macht seine Arbeiten so einzigartig? Ist es die Leidenschaft für den Werkstoff, der Hang zum Perfektionismus oder ungebremster Ehrgeiz? Hatte Gamperl das richtige Gespür für Trends und Marktnischen? Ist es das Feingefühl, mit dem er seine Kunstwerke erschafft? Oder war er zuweilen einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Alle diese Fragen kann man mit ja beantworten. Gamperl hat eine jahrzehntelange Entwicklung durchlaufen, die von harter Arbeit an sich selbst und an seinen technischen Fähigkeiten geprägt war. Techniken, die heute gang und gäbe sind und an denen sich nun auch Drechsler im Hobbybereich versuchen, waren zu Beginn von Gamperls Laufbahn nicht denkbar und wurden von ihm salonfähig gemacht. Dieser jahrelange Prozess befähigt ihn dazu, seine Werke unverkennbar zu machen und erfolgreich zu bleiben.

Gamperl ist gelernter Schreiner und hat sich das Drechseln bereits während seiner Ausbildung autodidaktisch beigebracht. Unzählige Stunden hat er damit verbracht, perfekte Dosen, Schalen und Gefäße herzustellen und eignete sich schon in dieser Selbstlernphase ein ausgeprägtes technisches Verständnis an, das sich nicht mit der klassischen Herangehensweise der Drechselkonventionen deckte. 1990 gründete er seine eigene Werkstatt und die Möglichkeiten, die ihm der Schreinerberuf als Grundlage für kreatives Arbeiten bot, genügten ihm längst nicht mehr. Er absolvierte die Ausbildung zum Drechslermeister bei Gottfried Böckelmann in Hildesheim und die Kunst des Drechselns zog ihn weiter in den Bann. Ein wichtiger Schritt waren die ersten Versuche im Nassdrechseln. Schon Ende der Achtzigerjahre widmete er sich dieser Technik, doch während seiner Meisterausbildung wurde er schnell auf den traditionellen Weg geführt und seine eigenen Intentionen rückten zunächst in den Hintergrund. Seine Handschrift entwickelte sich über Jahre, in denen er die traditionellen Techniken verinnerlichte und sich die Basis für sein künstlerisches Schaffen aneignete. Denn für ihn gilt: „Eine Idee allein reicht nicht aus, es kommt auf die Umsetzung und die Ausarbeitung an.“

Die ersten Jahre seines Schaffens sind kaum dokumentiert und dennoch ist diese Zeit der grundlegende Baustein für seine Arbeit. Die Arbeiten, die Gamperl damals fertigte, sind nicht mehr mit seinen heutigen Werken zu vergleichen. Wie viele andere Künstler stellte Gamperl seine Objekte Anfang der Neunzigerjahre auf Fachmessen aus. Wie zu dieser Zeit üblich, verwendete er oftmals bunte, exotische Hölzer, die durch die Maserung und Färbung für sich selbst sprachen. Die Produkte waren damals leicht zu verkaufen und sehr gefragt. Gamperls Bestreben war es jedoch, seinen Werken eine höhere Ebene zu verleihen, sie sollten über bloße Farbigkeit und Formgebung hinauswirken. Er entschied sich bewusst dafür, einen anderen Weg einzuschlagen, um sich von der Masse abzuheben. Ihm kam der Gedanke, dass die eigentliche Kunst des Drechselns darin bestehen sollte, über den Weg der Gestaltung selbst ein schlichtes Stück Brennholz zu etwas Besonderem machen zu können. Er überdachte seine Arbeitsweise von Grund auf neu, verwendete von nun an europäische Holzarten wie Ahorn, Buche, Olive und Eiche. Mit einfachsten Profilen des Drechselns erschuf er neuartige Texturen und hob die Eigenschaften des Holzes somit hervor. Hohlkehle, Rundstab und V-Einstich sind jedem Drechsler vertraut, doch Gamperl ist es gelungen, diese Grund-elemente zu seinem Stilmittel herauszuarbeiten und somit fein gestaltete Oberflächen zu erschaffen, die im Einklang mit der Natürlichkeit des Holzes funktionieren. Er hat es geschafft, sich von Konventionen und vorgegebenen Maßstäben zu lösen und seinen eigenen Stil entwickelt. Gamperl verwendet seit Jahrzehnten ausschließlich nasses Holz, dass es ihm ermöglicht, den Dialog mit dem Holz zu erfahren, dem Naturmaterial seinen Willen zu lassen. „Auch ich habe nach der Meisterschule begonnen, ausschließlich trockenes Holz zu verarbeiten, bemerkte jedoch schnell, dass die Rotationssymmetrie für mich eine Einschränkung darstellte. Es dauerte eine Weile, bis ich mich aus diesem Korsett wieder befreien konnte. Dabei half mir die einfache Erkenntnis, dass frisches Holz beim Trocknen schwindet und sich verformt, und ich begann diese Entwicklungen bewusst in die Gestaltung miteinzubeziehen.“

Sie möchten weiterlesen? Im DrechslerMagazin Ausgabe 53 (Winter 2020) finden Sie den vollständigen Artikel.

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